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Der Texanische Patient

Begonnen von Downfivegreens, 17, September, 2019, 13:01:42 NACHMITTAGS

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Downfivegreens

Gentlemen... Howdy aus dem sonnig-schwülen Houston!

Ich benötige dringend Eure Hilfe. Dazu möchte ich zuvor eine wahre Geschichte erzählen. 

Eine junge Frau aus der texanischen Country-Idylle trifft mit 18 die Liebe ihres Lebens. Sie heiratet jung, wird im Laufe der Jahre Mutter von vier Kindern. Die Beziehung läuft harmonisch, sie ist glücklich. Mit ihrem Mann verbindet sie seit ehedem nicht nur die Liebe zu Chrom, Car Shows und American Muscle. So häufen sich nach und nach die U.S. Cars im Besitz... liebevoll restauriert und gepflegt von ihrem Mann. 

Unter anderem wären da eine ´74er Stingray... und ein ´79er Z-28 in schwarz-schwarz. Vor allem letzterer wird über die Jahre zum unangefochtenen Liebling. Er erhält eine umfassende Resto. Der 350er Chevy weicht einem 383er Stroker. Mit ihm fahren sie gemeinsam die Hot-Rod Power Tour... einmal quer durch die Vereinigten Staaten. Der Wagen verbindet die beiden fortan wie nur wenig andere materielle Dinge. 

Irgendwann macht der Motor dann seltsame Geräusche... und wird zerlegt. Die georderten Teile von Classic Industries... treffen zeitgleich mit der Diagnose ein: Ihr Mann hat Bauchspeicheldrüsenkrebs. An die Reparatur ist nicht mehr zu denken: Sie wird mit Mitte 40 Witwe... binnen weniger Monate. 

Zwar beauftragen alte High School Freunde in Eile eine "Fachwerkstatt" mit dem Wieder-Zusammenbau. Seine Urne... soll mit "Z" auf die letzte Reise in die gemeinsame Heimat nahe Dallas gehen. Doch auch daraus wird nichts. Seit der Rückkehr in ihre Garage... ist der Wagen praktisch unfahrbar. Das Ansprechverhalten des Motors... vor allem im warmen Zustand eine Katastrophe. Nach Abstellen der Zündung: Ohrenbetäubendes "Dieseling". Sie ist von Trauer und Schmerz paralysiert, Stingray und "Z" verstauben im Laufe der Zeit. 

Nun komme ich ins Spiel. 

Ich bin seit 2005 beruflich regelmäßig in Houston. Die Frau ist mir über die Jahre zur guten Freundin geworden. Ich möchte ihr gerne helfen. Wer die aufgerufenen Stundensätze in den USA kennt wird verstehen: An eine Fachwerkstatt ist nach dem Wegfall des Haupteinkommens nicht zu denken. Das Blöde ist zudem: Zur "Reparatur"... existieren keine Unterlagen. Auch gibt es von Classic Industries die Rechnung nicht mehr. Nicht nachzuvollziehen, was da gemacht wurde und um welche "komischen Geräusche" es sich damals gehandelt hat. 

Nun habe ich es gestern mit viel Fingerspitzengefühl mal gewagt, einen Blick auf den Wagen zu werfen. Ich hab´s geschafft, ihn zum Laufen zu bringen. Auf dem 383er ist ein Rochester Quadrajet verbaut. Sieht alles sehr ordentlich aus. Choke und Beschleunigerpumpe funktionieren. Im kalten Zustand läuft er im Leerlauf ganz okay, nimmt aber etwas vibrationsreich Gas an. Wird er jedoch heiß, reduziert sich die Leerlaufdrehzahl sukzessive... die Drosselklappe schließt sich mehr und mehr von selbst (!)... und dann geht er aus. Standgas höher stellen oder Gas geben... bringt nichts. Drosselklappe von Hand wieder öffnen... bringt auch nichts. Das "Dieseln" konnte ich nicht reproduzieren. Anhand der akustischen Art des Absterbens konnte man aber drauf warten. Auch fiel mir auf, dass das Manometer an den suction ports nahe der idle mixture screws erst einen nennenswerten Unterdruck anzeigt, wenn die Drehzahl auf deutlich über 1000 rpm gehoben wird. Davor steht die Nadel auf Null. Die Gemischschrauben selbst... eher wirkungslos. Auch waren da von Anfang an Rost-ähnliche Partikel im Filter. Die Glaskammer war aber gut sichtbar mit Sprit gefüllt; an der Versorgung liegt´s aus meiner Sicht nicht. 

Hier meine konkreten Fragen; es werden im Laufe der Zeit wahrscheinlich noch mehr..

- Bei näherer Betrachtung fiel mir auf, dass die Vergaserfussdichtung teilweise zweilagig zu sein scheint. Auch gibt´s da noch Öffnungen  
  in der Ansaugbrücke nahe dem Vergasergehäuse, die da meiner Meinung nach nicht hingehören (siehe Bilder). Sehe ich das falsch? 
- Ich habe den Eindruck, dass Brücke und Vergaser noch einen Adapter zueinander bräuchten. Kann das sein?
- Wie könnte ich feststellen, ob er dort seitlich Luft zieht? Eine populäre Möglichkeit wäre wohl, da Bremsenreiniger beizusprühen und zu   
  kucken ob die Drehzahl steigt... gibt´s noch was weniger kritisches? 
- Um welche Brücke handelt es sich hier? 
- Falls sich meine Theorie mit der Falschluft über die Fußdichtung als falsche heraus stellt... wie müsste ich den Vergaser einstellen, um das gezeigte 
  Verhalten abzustellen?
- Ich hätte gerne den Zündzeitpunkt zumindest in idle abgeblitzt... als er noch lief (haha). Weder der harmonic balancer noch der Block... hatten aber 
  eine Skala oder Markierung. Wo sollten selbige beim Stroker denn genau sein? 
- Hat jemand eine Idee, was das für ein Filter ist? 

Ich bin Euch für wirklich jeden sachlichen Input überaus dankbar! :)

Viele Grüße,

Alex. 

Downfivegreens


Downfivegreens


steamship

Hallo Alex,
das sieht nach einer Brücke mit "dual carb pattern" aus.
Das passen Vergaser mit unterschiedlichem Flanschbild drauf.
Das wird dann eher nicht das Problem sein.
Für mich klingt das nach zu magerer Einstellung oder falscher Bedüsung.
Bei Kaltstart hat er das angereicherte Gemisch und läuft gut.
Sobald er wärmer wird, fällt die Kaltstartanreicherung weg und er läuft zu mager.
Das Schließen der Drosselklappe ist normal.
Bei Kaltstart steht die Drosselklappe auf einer Art Stufenscheibe um mehr Luft zu geben.
Wird der Motor wärmer, geht die Drosselklappe Stufe um Stufe weiter zu bis zum Normalzustand.
Ich würde wahrscheinlich den Quadrajet öffnen und nach Ablagerungen schauen.
Wenn alles gut ist, würde ich feststellen, welche Düsen verbaut sind und das mit der einer Spec. für den Motor abgleichen.
Aber zu allererst Zündung natürlich prüfen!
Markierung müsste vorne auf dem Ballancer sein und ein Blech mit Gradzahlen am Steuergehäuse.
Falls wegrationisiert, mußt du den OT selbst bestimmen.
Kerze Zylinder 1 entfernen, Schraubenzieher ins Kerzenloch und den höchsten Punkt ermitteln.
Schauen ob Verteilerfinger auf Zündkabel Zylinder 1 gerichtet ist oder 180° verdreht.
Falls verdreht eine Umdrehung weiter und nochmal OT ermitteln.
Ist dann nicht perfekt aber schon recht genau. Dann Verteiler auf 4-8° vor OT einstellen.
Damit muss er laufen.
Kannst la mal loslegen.
Gruss,
Gunnar

Downfivegreens

Hallo Gunnar,

hab herzlichen Dank für Deine zügige Antwort. Das mit dem dual pattern intake...war mir ehrlich neu. 

Der selbe Carb (ist noch der originale vom 350er) war laut ihrer Aussage auch vor der letzten "Reparatur" drauf und lief sehr gut mit dem Motor... ich klammere (vorerst) auch mal die Bedüsung aus. Reinigen werde ich ihn nochmal. Danke auch für Deine Tipps mit der Zündung. Er hat in der Tat keine Skalierung... 

Frage aber: Warum sehe ich auf dem Manometer erst bei höherer Drehzahl ein plötzlich einsetzendes suction reading? An meinem Q-Jet ist immer eines angezeigt auch bei (low) idle im warmen Zustand... plötzliche Sprünge mit der Drehzahl gibts einfach nicht. Und: Wohl habe ich ihn ordentlich fetter gestellt und zwar soweit, dass bei meinem der Boden unterm Auspuff tropfnass gewesen wäre. Hier: Fehlanzeige. Lässt sich das irgendwie erklären?

Zumindest die richtigen Filtereinsätze habe ich heute bei Autozone gefunden. :)

Viele Grüße,

Alex.

steamship

Hallo Alex,
ich habe da noch einen anderen Aufhänger.
Du schreibst, dass du keine Reaktion auf die Verstellung der Gemischschrauben hast.
Das läßt vermuten, dass der Leerlaufkreis inaktiv ist.
Es gibt beim Quadrajet das Phänomen, wenn du zuviel Spätzündung hast und die Gemischschrauben zu weit draussen sind,
um die den niedriegen Leerlauf zu kompensieren und zugleich die Drosselklappen dann in Leerlaufstellung zuweit geöffnet sind,
dass der Leerlaufkreis inaktiv ist und der Sprit direkt über die Nozzles eingesaugt wird.
Das nennt sich "Nozzle dripping" und sollte man oben im Vergaser sehen können.
Dann muss man mehr Frühzündung geben, was die Leerlaufdrehzahl erhöht.
Damit kann man die Gemischschrauben weiter reindrehen und die Anschlagschraube zurückdrehen, bis der Leerlaufkreis wieder arbeitet.
Die Spätzündung passt übrigens auch zu deinem niedrigen Vacuum im Leerlauf.
Gruss,
Gunnar

Alex.H

Kann ich so ziemlich bestätigen. Hatte meinen auf 6 Grad eingestellt, damit lief er auch ziemlich fratze, obwohl er eigentlich sogar 4 Grad bekommen sollte. Hatte keine richtige Leistung, hat beim Beschleunigen ständig runter geschaltet, und überhaupt nicht durchgezogen. 
Fahre ihn seit dem auf 10 Grad, und der Motor ist wie verwandelt.

Gruß, Alex

Downfivegreens

Nochmals herzlichen Dank für Eure Inputs!

Hoffe in den kommenden Wochen wieder vor Ort zu sein - und dann mit ein wenig mehr Zeit im Gepäck und hoffentlich ohne Überschwemmungen... Ich werde den Thread dann weiterführen.

Downfivegreens

So. Ein weiteres WE im feuscht-schwülen Houston liegt hinter mir - und die Welt dort... ist um einen gut anspringenden, ruhig laufenden und beim Abstellen nicht mehr "dieselnden" Z28 reicher. 

Es war tatsächlich nur der Zündzeitpunkt (total) in Richtung "spät" verstellt und die Drosselklappe im Leerlauf entsprechend weit offen. Ansonsten war er eher zu mager und die Choke-Einstellung stimmte überhaupt nicht. Genauer gesagt war der schlichtweg nicht angeschlossen... das hatte ich bim ersten mal im matten Neonlicht der Garage total übersehen. Einzig den Tankinnenraum sollte ich beim nächsten mal noch reinigen und der Flüssigkeitswechsel steht noch aus. 

Grundsätzlich war´s super befriedigend, was da unter der dicken Staubschicht wieder zum Vorschein kam... :) 

...und ich habe einiges dazu gelernt. Nochmals danke für Eure Hilfe!

steamship

Super, freut mich, dass es geklappt hat ! :thumbsup:
Gruss,
Gunnar

TomFeramenti

Gruß Claudio        http://www.vintagecargarage.de/

vH

Schönes Auto :thumbsup: und schöne Geschichte :thumbsup:

GrußvH

Downfivegreens

Danke :)

Allerdings wird die Kombination aus beschränktem Platz in ihrer Garage, meiner spärlichen Anwesenheit und meinen beschränkten Kompetenzen dazu führen, dass sie längerfristig nicht um einen vernünftigen Repair Shop herum kommt.

Wenn also jemand ´ne empfehlenswerte Werkstatt im (nördlichen) Houston kennt... ich wäre sehr dankbar für Inputs :-\